BACK TO CANADA BLOG #2
STEP 1 - Einmal Bremerhaven und zurück!

18.-20.01.2021

So ein Auswanderungsprozedere, besonders wenn es über mehrere Etappen führt, hat es ganz schön in sich! Alle Gedanken die man sich dabei so macht sowie die daraus resultierenden Massnahmen, um möglichst jede unliebsame Eventualität ausschalten zu können, würde alleine ein ganzes Buch füllen. Diese vielen verschlungenen und zugegeben oft etwas wirren Gedankengänge werden vermutlich kaum auf breites Interesse stossen. Also versuchen wir, euch in den nächsten paar Zeilen wirklich nur die wichtigsten, lustigsten und interessantesten Eckdaten auf unserem Trip mitzugeben. Wir wünschen euch dabei guten Unterhaltung!

Ende 2019 haben wir ja schon so unsere Erfahrungen mit dem Verschiffen unseres Gespanns gemacht. Diejenigen, die uns schon etwas länger verfolgen, können sich vermutlich noch gut daran erinnern. Für alle anderen kurz zusammengefasst: Es war der blanke Horror! Entsprechend skeptisch betrachteten wir nun die Export-Formulare, welche wir von unserem neuen Spediteur erhalten haben und mit denen „alles kein Problem am Hafen von Bremerhaven“ sein sollte. So zumindest die mit einem sympathischen holländischen Akzent versetzte Fernanalyse der Spedition. Gerade mal zwei Formulare hielten wir in Händen, mit denen dieses „alles kein Problem am Hafen“ zu bewerkstelligen sein sollte. Dazu muss man wissen, dass die mit dem Auftrag betraute Spedition in der Regel nicht die Ansprechperson am Hafen ist. Was auch immer schief läuft, muss erst wieder per Telefon, Fax, Breiftaube oder Mail rückgefragt, abgeklärt und berichtigt werden. Und das braucht viel Zeit und noch mehr Nerven! Aber zurück zu den Formularen. Es war nicht nur die geringe Menge an Formularen, die uns stutzig machte. Auch inhaltlich schien da einiges zu fehlen. Auf einem war lediglich unser Pickup mit allen Daten aufgelistet, auf dem Anderen die Fahrgestellnummer des 5th Wheel, die Gesamtlänge des gesamten Gespanns und das Gewicht des Pickup. Also irgendwie alles und doch nichts am Stück. Aber Robert, so unser sehr beflissener und optimistischer Spediteur, hielt das auch auf telefonische Abklärung hin weiter für „No Problem, don’t worry!“ Na dann … auf geht’s!

Zuhause hatten wir in der Zwischenzeit unsere restliche Habe in 3 Kategorien unterteilt:
1: Wird im Auswanderungs-Erfolgsfall später in einem Container nachgeschifft (gibt’s das Wort überhaupt?)
2: Wird für den USA/Canada Trip benötigt - wird also im 5th Wheel mitverschiff.
3) Kommt im Flieger mit auf den Umweg über Mexico. 
Mit der Ware aus der Kategorie 2 machten wir uns also ohne die Kinder auf den Weg nach Meiringen, wo unser 5th Wheel seit letztem November auf dem schönen Campingplatz „Alpencamping“ zeitweise unser zweites Zuhause war. Eine schöne Fahrt über den tief verschneiten Brünig-Pass und 2 Stunden später war auch schon alles bereit für die Fahrt nach Norden. Noch die beiden Kayaks reingewuchtet, Türe zu und ab gehts! Doch da hatte Väterlichen Frost wohl etwas dagegen. Denn der olle Schnee überall verunmöglichte trotz mehrerer versuche das heikle Abbiege-Manöver um die Sanitär-Anlage herum. Da führte erstmal kein Weg daran vorbei, den Chef mit seinem Schneeräumungsfahrzeug aufzubieten. Eine halbe Stunde später war dann nicht nur der Schnee weg, sondern auch wir konnten endlich zu unserem 1000 Kilometer Trip starten. An dieser Stelle nochmal Danke an Simon für den spektakulären Einsatz mit der Allzweckwaffe „Aebi“.


Gemäss Navi standen uns nun knapp 10 Stunden Fahrt bevor. Was unser Navi nicht wusste - wir sind bei weitem nicht so flink unterwegs wie ein normales Automobil. Also packten wir im Geiste noch kurzerhand 3 Sunden oben drauf. Man möchte ja im Nachhinein nicht enttäuscht sein. Wie optimistisch wir selbst damit waren, sollte sich später noch herausstellen.

Die deutsche Grenze war schnell erreicht. Die Schweiz ist ja nicht besonders gross. Aus Erzählungen wussten wir, dass uns hier grundsätzlich alles widerfahren kann. Von "ohne Test ist hier Schluss" bis hin zu "unbehelligt durchrattern". Das einzige was wir jedoch vorfanden, war eine durch Leitbacken sehr eng gesteckte zick-zack-Schikanen-Verkehrsführung (keine Ahnung wie man sonst nennt). Links und rechts standen diese Fahrbahnbegrenzungen in einem Abstand, der knapper nicht hätte sein können. Dem nicht genug, wurden wir durch diese sehr clevere Anti-Durchbrech-Massnahme auch noch zu zwei zick-zack Fahrmanövern genötigt, bei denen sich leider auch die eine oder andere Leitbacke mit Schuss in's Dunkel verabschiedete. Sorry, aber da seid ihr selber schuld Freunde! Gerade als wir die letze Kurve einigermassen elegant gemeistert hatten, geht mein Blick wieder nach Vorne. Und wer steht da? Ein silber-blauer Kleinbus mit der verräterischen Beschriftung "POLIZEI". Na vielen Dank auch. Nachdem ich hier die Durchfahrt mit viel Getöse etwas verbreitert hatte, werden die uns bestimmt freundlich durchwinken. Aber genau das taten sie. Und nicht nur das, der Beamte stieg aus, rief "ich mach das schon" und wünsche uns noch eine gute Weiterfahrt. Im Rückspiegel sah ich ihn dann, alles wieder so instand zu stellen, wie es vor unserer Ankunft war. Was für ein netter Mensch und falls du das liest: Vielen Dank!

Die restliche Autobahnfahrt einmal der Länge nach durch Deutschland ist besonders in der Dunkelheit an Monotonie kaum zu überbieten. Brummi reiht sich an Brummi, Windrad an Windrad, ab und zu unterbrochen durch eine Raststätte, die bis auf den letzten Platz mit Lastwagen belegt ist. Entsprechend nimmt auch irgendwann die Aufmerksamkeit ab, die gepaart mit der Müdigkeit und dem Dauerregen eine gefährliche Mischung ergibt. Der eiserne Wille, alles auf einer Arschbacke durchzuziehen, mussten wir so aus einem Anflug von Vernunft knapp 100 Kilometer vor dem Ziel also aufgeben. Stattdessen gönnten wir uns auf einer ungastlichen Raststätte ein kleines Power-Nap. „Nur ein Viertelstündchen“ hörte ich mich noch sagen, bevor wir beide komplett weggenuckelt sind. 2 Sunden später, weiss der Geier weshalb der Wecker nicht funktioniert hat, wurden wir von den nagelnden Motoren unserer Brummi-Nachbarn sanft aus dem Schlaf vibriert. Schei … benkleister - wir haben verpennt! Immerhin wollten wir ja heute noch den Zug zurück in die Schweiz erwischen. Wobei die letzte Verbindung, die noch am selben Tag die Schweiz erreicht, bereits um irgendwas nach 15:00Uhr abfährt. Und wir hatten auch nicht nicht die leiseste Ahnung, wie lange das Abgabe-Prozedere am Hafen dauert. Also schleunigst weiter!

Knapp 2 Stunden später rollten wir auf das riesige Hafengelände von Bremerhaven. Kilometerweit ging es nach dem Tor noch zwischen schwimmenden Stahlkolossen und Millionen von Güterwagons hindurch weiter, bis wir nach insgesamt 15 Stunden endlich unser Ziel erreichten: Das Bremerhaven BLG Auto Terminal Kline. Steifbeinig wie ein knieoperierter Flamingo begaben wir anschliessend in einen sehr nüchternen Bürokomplex, in welchem sich die Firma eingemietet hat, die unsere rollende Heimat über den Teich schippern soll. „BLG - High & Heavy“ stand da in grossen Lettern an der Tür, hinter der sich bereits eine beachtliche Schar gelangweilter Brummifahrer vor einem Schalter versammelt hatte. Das hatte insofern auch sein Gutes, als dass uns die Wartezeit mit dem passiven Lauschen einiger Brummifahrer-Anekdoten versüsst wurde. Just in dem Moment, als wir an der Reihe waren, schob sich zu unserem Entsetzen knatternd ein Rolladen zwischen uns und die Dame hinter dem Tresen: Aus die Maus - jetzt ist Brotzeit! Nicht dass wir ihnen die 30 Minuten Auszeit nicht gegönnt hätten, aber musste das gerade jetzt sein?!? So kamen wir in den Genuss von ein paar weiteren Brummifahrer-Storys, die sich leider irgendwann zu wiederholen begannen. Das erneute Knattern des Rollladens riss jäh uns aus der Welt der Fernfahrer. Endlich!

Nach kurzer Durchsicht unserer Zettel und ein paar Tastenklicks am Computer meinte die Dame dann: „Kleinen Moment bitte“ worauf sie beherzt zum Hörer griff. „Kleinen Moment bitte“ in Kombination mit einem Telefonat hat uns bisher im Export-Business keine guten Erinnerungen beschert. Das bedeutet meist, dass massiver Ärger in Verzug ist. Nachdem sie aufgelegt hatte, wies sie uns an, noch eine Viertelstunde zu warten. Irgendwas mit den Dokumenten wäre nicht in Ordnung. Man sei aber gerade dabei, dies zu korrigieren. „Irgendwas mit den Dokumenten ist nicht in Ordnung“ ist auch so eine Aussage, die uns gleich wieder an’s Ende des Jahres 2019 katapultiert und uns dicke Gänsehaut beschert. Aber bitte - wie heisst es so schön: „Gib jedem Tag die Chance, der sch …" - ach, hoffen wir einfach auf das Beste! Und tatsächlich. Sogar noch vor Ablauf der vereinbarten Wartefrist rief sie uns wieder an den Schalter und sprach die erlösenden Worte: „Jetzt ist alles gut!“. Daraufhin drückte sie uns noch einen Batch in die Hand, mit dem uns der Zugang zum Allerheiligsten, dem streng überwachten inneren Hafenteil, gewährt wurde. Mit einem Fingerzeig durch’s Fenster wies sie uns zum Schluss noch an, unser Gespann gleich neben ein paar Lastwagen abzustellen und auf einen ihrer Mitarbeiter zu warten. Halleluja … was waren wir erfreut!

Da standen wir nun. Umgeben von allen möglichen Gerätschaften und Fahrzeugen, die ebenfalls alle auf ihre grosse Fahrt über den Teich warteten. Irgendwie kommt man sich dabei sehr klein vor, was zusätzlich durch die Tatsache verstärkt wurde, dass von dem versprochenen Mitarbeiter jede Spur fehlte. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde es mir zu bunt. Zumal die Mittagsstunde näher rückte und wir ja bereis erlebt haben, wie genau man es hier mit den Pausen nimmt. Mit dem Mut der Verzweifelten und wedelnden Armen hielt ich daraufhin einen Kleinbus an, auf dem das uns vertraute Firmenlogo prangte. Doch der Fahrer dachte nicht daran anzuhalten. Mit einer lässigen Handbewegung gab er mir klar und unmissverständlich zu verstehen, dass ich ihn gerade nicht die Bohne interessiere. „Wrooom“ war er wieder weg, nur um kurz darauf mit Karacho um die Ecke angeschossen zu kommen. Neuer Versuch: „Äh … entschuldigen Sie. Wie und wann geht es für uns nun weiter?“ Als wär ich Luft, stieg er aus seinem Fahrzeug aus, lief wortlos an mir vorbei und verschwand im Führerhaus eines LKW’s. Jooo … wirklich nettes Personal haben die hier, das muss man schon sagen! Gerade als ich einen dritten Versuch starten wollte, kroch Herr Liebreiz wieder aus dem Führerhaus und hatte nun endlich die Gnade, sich meiner pingeligen Sorge anzunehmen. Und das tat er, in dem er mir zurief:“ Folgt mir!“ Etwas irritiert aber froh endlich sowas wie eine Interaktion erlebt zu haben, folgten wir ihm in seinem knütsch-orangenen Kleinbus einmal quer über den Platz bis in’s hinterste Eck. Dort, so seine ebenfalls sehr knappe Anweisung, sollten wir unser Gespann neben zwei bereits wartende, wunderschöne amerikanische Wohnwagen abstellen. Blick auf die Uhr - alles im grünen Bereich! Auf dem Hafenareal scheint es nur zwei Gaspedalzustände zu geben: Ganz oben oder ganz unten. Mit Pedal „ganz unten“ und einem letzten Blick auf unser Heim auf Rädern ging es nun in der orangenen Klapperkiste zurück zum Ausgang. Das scheinbar unmögliche war damit vollbracht. Mit ganz offensichtlich unvollständigen Dokumenten in Händen haben wir unser Gespann in Rekordzeit am Hafen deponiert. Ob das bei der Ankunft in den USA dann ebenfalls alles so reibungslos klappt, wird sich erst noch zeigen. Wie gesagt, haben wir von „Da drüben“ nicht gerade die besten Erinnerungen was das Exportwesen angelangt. Aber für den Moment waren wir einfach nur erleichtert und froh darüber, diesen Schritt weitgehend schmerzfrei und nervenschonend absolviert zu haben. Alles was zum erfolgreichen Abschluss dieser Etappe noch fehlt, ist eine 10-stündige Zugfahrt zurück in die Schweiz. Und dabei kann man wirklich nicht viel falsch machen.


Mit einem Taxi ging es nun in Windeseile zum Bahnhof von Bremerhaven, wo wir uns umgehend zwei 1. Klasse Zugtickets sicherten. Bei 10 Sunden Zugfahrt und 30 Euro Aufpreis, mussten wir wirklich nicht lange überlegen. Die Reise sollte uns von Bremerhaven aus, mit Umsteigen in Bremen und Hannover, um 22:00 Uhr direkt nach Zürich bringen. Soweit der Plan, der bis nach Hannover auch hervorragend aufging. Dann jedoch erscholl durch die Lautsprecheranlage eine Stimme die uns mitteilte, dass man in einem vor uns liegenden Bahnhof eine Bombe gefunden hätte, was uns nun einen ungeplanten Aufenthalt im Nirgendwo von ca. 45 Minuten bescheren würde. Netterweise fügte die Stimme hinzu, dass wir uns erwartungsgemäss auf mehr als 45 Minuten einzustellen hätten. Wahrheit währt halt am längsten, auch wenn man sie nicht immer hören mag. Der Bomben-Stopp hielt sich aber letztendlich in Grenzen. Mit 2 Stunden Verspätung und 3 mal zusätzlich Umsteigen kamen wir schlussendlich in Zürich an. Die Bombe haben wir weiträumig umfahren und das Gefühl in Bewegung zu sein, liess die Verzögerung nur halb so schlimm erscheinen. Lediglich die Tatsache, dass uns der Zug kurz vor der Schweizer Grenze ausspuckte und nicht wie verabredet in Zürich absetzte, nehmen wir ihnen leicht übel. Was hatte der denn noch vor um die Zeit? Linderung verschaffte uns ein vom Zugpersonal ausgehändigter Umschlag, mit dessen Inhalt man im Verspätungsfall einen Teil des Fahrpreises zurückerstattet bekommen soll. Bei 2 Stunden sind das bereits 50%. Mal schauen, ob eine Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg nicht irgendwie unter „höhere Gewalt“ fällt.


Um 00:30 Uhr waren wir dann endlich wieder am Ausgangspunkt "Baar" und somit am Ziel angekommen. Nach einem kurzen Fussmarsch durch die klare kühle Nachtluft legten wir uns danach fix und foxy in die verdienten Federn. Am 18.01.2021 um 15:00 Uhr in Baar gestartet, über Meiringen nach Bremerhaven gedonnert, dort das Gespann deponiert und mit dem Zug wieder zurück. Das waren rund 1800 Kilometer in knapp 34 Stunden. Ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwas über 50km/h. Nicht die Welt, aber für uns der Abschluss der wohl anstrengendsten Etappe auf den noch vor uns liegenden. Alles was jetzt noch an Anstrengungen vor uns liegt, ist eher psychischer Natur. Ein paar Lektionen in Geduld üben, Vertrauen haben und Zen-mässige Gelassenheit an den Tag legen. Hoffen wir wirklich, dass es dabei bleibt und es sich am Ende auszahlt.

Und damit schliessen wir diesen Etappen-BLOG für's Erste ab. Das nächste Mal melden wir uns hoffentlich aus Mexico, genauer gesagt aus Cancun, unserem nächsten Etappenziel. Dort werden wir uns, wie bereits berichtet, einer 2-wöchige Entseuchung unterziehen. Die momentane Voraussetzung dafür, überhaupt in die USA einreisen zu können. Zusammen mit einem negativen Corona-Test und einer Quarantäne nach der Ankunft. Weitere Faktoren, die wir nur bedingt beeinflussen können. Der neue US-Häuptling hat zwar bereits mit dem Säbel gerasselt und weitere Verschärfungen angedroht, aber wir bleiben optimistisch.

Wer den ganzen Trip noch als Video anschauen möchte, kann dies gerne auf unserem Video-Blog auf YouTube machen -> hier geht's lang!

Dann also bis bald liebe Freunde. Wir hoffen ihr bleibt am Ball und drückt uns weiter bei Gelegenheit den einen oder anderen Daumen. Vielen Dank dafür!

Herzlichst
Home on Wheels - Martin, Amy, Lynn & Jamie