BACK TO CANADA BLOG #19
SKOOLIE PROJECT
AUF DEM WEG ZU UNSEREM NEUEN "HOME ON WHEELS"

02.07.-04.11.2021

Dieser Blogbeitrag befasst sich mit dem wohl grössten Meilenstein, den wir auf unserer bisherigen Reise gesetzt haben. Und das, obwohl er sich nur indirekt mit dem Thema "Reisen" befasst. Nämlich der Umbau eines Amerikanischen Schulbusses in unser neues rollendes Zuhause.


Ein paar Erfahrungsberichte im Netz, ein Gespräch mit dem Besitzer eines umgebauten Schulbusses sowie eine eigene schwungvoll aus der Hüfte heraus geschossene Einschätzung liessen uns zu dem Schluss kommen, dass das Projekt „Schulbus-Umbau“ innerhalb eines Monats umsetzbar sein müsste. Immer vorausgesetzt man verfügt über die nötige Erfahrung, einen grundsoliden Werkzeug-Fundus und eine minimale Infrastruktur, wozu insbesondere ein Ort zum Schlafen und eine konstante Stromquelle gehört. Ein gut gefüllter Werkzeugkoffer sowie die Zusage unserer Freunde in Illinois, dass sie uns ihre Scheune als Umbauort für den Bus und ihren Camper als Wohnquartier zur Verfügung stellen, hatten wir bereits. Soweit so gut. Was die fehlende Erfahrung anbelangt, so waren wir guten Mutes, dass sich das schon irgendwie mit handwerklichem Geschick, Einfallsreichtum und einer Portion gesundem Menschenverstand kompensieren liesse. Nun ja … ich würde rückblickend nicht sagen, dass diese Einschätzung komplett falsch war. Etwas „zu optimistisch“ trifft es schon eher und klingt nebenbei auch noch einiges sympathischer. Es ist ja nicht so, dass wir uns im Vorfeld nicht ausreichend auf den renommiertesten Schulbus-Foren umgeschaut hätten. Nur gibt es leider bei so einem Projekt nicht „DEN UMBAU“, sondern der gestaltet sich je nach finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten, den eigenen Fähigkeiten sowie dem eigenen Geschmack ganz unterschiedlich. Mit einem Eimer als „Kompost-Toilette“, ein paar Batiktüchern als Raumtrenner/Wandverkleidung sowie einer Matratze lässt es sich grundsätzlich schon in so einem Bus leben. Sowas lässt sich in ein paar Tagen locker bewerkstelligen. Meine Hochachtung an alle, die mit sowas ehrlich zufrieden sind. Für uns wäre das jedoch nichts. Etwas mehr Komfort sollte es dann schon sein.


Grundsätzlich haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Standard aus unserem ehemaligen 5th Wheel zu übernehmen. Uns war bewusst, dass wir den grössten Abstrich beim Thema Slide-Out machen müssen. Der Einbau eines dieser ausfahrbaren Raumwunder hätte weitaus schwereres Gerät erfordert, als wir auf die schnelle auftreiben können. Dafür wollten wir uns beim Thema Stromversorgung etwas mehr gönnen, als wir bisher hatten, um möglichst lange ohne irgendwelche Anschlüsse auszukommen. Heisst, auf’s Dach gehören Solarzellen, in den Bauch ein paar Lithium-Batterien mit ordentlich Speicherkapazität und ein Inverter soll dafür sorgen, dass wir auch weitab jeder Steckdose den hier handelsüblichen 110 Volt Strom anzapfen können. Alleine dieser Anforderungskatalog übersteigt vermutlich schon denjenigen der meisten „Skoolies“, wie man in den USA die umgebauten Schulbusse nennt. Als wir uns dann auch noch entschlossen hatten, den Bus vor dem Ausbau erstmal bis auf’s blanke Metall auszuweiden, um allfällig verdeckte Schäden (wie z.B. den fiesen Lochfrass) aufspüren und ggf. professionell beheben zu können, verwandelte sich unser ambitionierter Zeitplan in feinste Makulatur.

Denn der Bus machte nicht den Anschein, als würde er uns einen prüfenden Blick von innen auf die Aussenhülle freiwillig gewähren. Mit dem Mut der Entschlossenen und der Präzision eines Herzchirurgen wühlten wir uns Stück für Stück durch eine Armada aus Metallplatten, Streben, Versteifungen und Profilen in allen erdenklichen Formen, Farben und Materialstärken. Der Weg dahin war gepflastert mit Schimpftiraden der übelsten Sorte, unzähligen abgebrochenen Stichsägeblättern, bis auf die Nabe heruntergescheuerten Trennscheibenblätter, verbogenen Stemmeisen und ein paar rot durchweichten Heftpflastern. Jemand schrieb mal in einem Internet Forum für „Skoolies“, dass man so ein Projekt am besten mit einer Tetanus-Impfung beginnen sollte. Dass es sich dabei nicht um schlechten Handwerker-Witz handelt, wurde uns während dieses Prozesses ganz schnell bewusst. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was da alles zwischen den scharfkantigen Blechen zum Vorschein kommt. Ein Potpourri von klebrigen und undefinierbaren Gegenständen, teilweise bestimmt schon mit einem Eigenleben, die die unzähligen Schüler über die Jahre dem Bus heimlich anvertraut hatten. Jeder Mikrobiologe hätte seine wahre Freude daran. Uns jedoch entlockte es lediglich ein paar erstickte Würgelaute und die eine oder andere rotglühende Schnittwunde wurde gerne auch mal etwas länger im Auge behalten. Letztendlich blieben wir aber zum Glück vor Schlimmerem verschont. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die reichhaltig ausgestattete Medikamentenabteilung des Supermarktes um die Ecke, wo man ganz ohne Rezept an potente Medikamente zum schmalen Preis herankommt!


Wie einleitend versprochen, wollen wir euch hier nicht mit technischem Krimskrams in Narkose versetzen. Deshalb hier in aller Kürze die wichtigesten Grunddaten. Bei unserem Bus handelt es sich um einen knapp über 10 Meter langen, rund 13 Tonnen schweren Schulbus der Marke International, mit einem 7,2 Liter ökologisch ausbalancierten MaxxForce9 Motor in der Schnauze. Klingt nicht nur martialisch, ist es auch. Ich hab mal nachgekuckt, ob die Firma IC, die diese Busse baut, früher mal Panzer gebaut und der Einfachheit halber gleich die Pläne übernommen hat. Obwohl ich auf nichts derartiges gestossen bin, bleibe ich der festen Überzeugung, dass da ein Zusammenhang besteht. Schaut man sich so einen Amerikanischer Schulbus mal von Innen etwas genauer an, kann man plötzlich verstehen, weshalb man selbst heutzutage noch selten Sicherheitsgurte darin findet. Sicherheitsgurte, Knautschzonen, Airbags oder andere Sicherheitsfeatures wurden einfach durch eine starre Masse ersetzt. Der Anblick eines ausgeschlachteten Schulbusses ähnelt stark dem eines Bombers aus dem 2. Weltkrieg. 


Stählerne Aussenhaut, gestützt und in Form gehalten durch allerlei Streben, Spanten und sonstigen Versteifungen. Wahlweise verbunden durch eine stattliche Anzahl an Industrienieten, Bolzen, Schrauben oder wenn es ganz dick kommt, einer venendicken Schweissnaht. Der einzige Unterscheid zum genannten Fluggerät besteht lediglich darin, dass man hier wenigstens versucht hat, den puristischen Stahl-Look im Ansatz zu kaschieren. In unserem Fall waren das quadratmeterweise cremefarbene Lochblech-Platten, welche mit einer Heerschar von selbstschneidenden Schrauben in die Deckenstreben verankert wurden. Bei der Wandverkleidung sorgten ein paar Bleche in nüchterner Hammerschlag-Optik für das „gewisse Flair“. Darunter und dazwischen war dann immer mal wieder ein Hauch von Isolation in Form der allzeit beliebten Glaswolle zu finden. Wer schonmal damit in Berührung kam, weiss welch fulminantes Empfindungsspektakel dieses Zeug hervorruft. Sich kratzen und gleichzeitig niesen ohne alles vollzurotzen sollte definitiv eine olympische Disziplin werden.


Zwei Wochen nachdem das zähe Ausschlachten begonnen hatte, standen wir nun also zerkratzt und geschunden in dieser nackten Blechröhre auf Rädern, die, wie wir zu unserer grossen Erleichterung festgestellt haben, weitgehend von Rost und anderweitigen Blessuren verschont geblieben ist. Das bedeutete jedoch nicht, dass da keine Löcher waren. Es waren Dutzende! Die waren jedoch nicht dem Rost geschuldet, sondern der Tatsache, dass man die 30 ursprünglichen Sitzbänke darin durch den Boden hindurch verschraubt und von unten mit einer Mutter gesichert hat. Clever, nicht wahr? Einige paar Stunden mit dem Winkelschleifer und einige Kilo Spachtelmasse und Rostschutzfarbe später war dann auch dieses Problem gelöst.



Der ganze Prozess war nicht nur kräftezehrend, es fühlte sich auch irgendwie an, als würde man einen Hund gegen das Fell streicheln. Natürlich wussten wir, dass es sich absolut lohnt, den Bus erstmal komplett bis auf’s Grundblech auszuweiden. Doch die innere Stimme wurde nicht müde uns darauf hinzuweisen, dass dies gerade in die komplett falsche Richtung geht.

Erst recht, als wir uns dann auch noch entschlossen, einen weiteren Vorteil des nackigen Busses auszunutzen. Denn nun lagen ja nicht nur die ganzen Grundbleche frei, sondern auch noch die ganze Fahrzeugverkabelung. Die teilweise armdicken Kabelstränge liefen kreuz und quer durch den Bus und liefen alle in einem Schuhschrank-grossen Sicherungskasten aussen am Bus zusammen. Viele dieser Kabel waren lediglich dazu da, die diversen Sicherheitsfeatures die so ein Schulbus mit sich bringt, darunter Blinklichter in allen Farben und Formen sowie Fenster- und Türkontakt-Sensoren an allen Öffnungen, zu versorgen und anzusteuern. Und die brauchten wir ja nun nicht mehr. Natürlich hätten wir die auch einfach drin lassen können. Aber da die Kabel alle innen am Bus entlang liefen und später auch da irgendwo in einem Kanal untergebracht werden mussten, war ausmisten aus Platzgründen sicher kein schlechter Plan. Und ausserdem befanden wir uns ja sowieso gerade auf dem Pfad der Tugend, auf dem wir es auch bei der Fahrzeugelektrik von Anfang an richtig machen wollten. Einige Kilo Kabel und einem sauber aufgeräumten Sicherungskasten später war dann auch das geschafft.

Und damit war die Geisterfahrt gottlob dann auch endlich vorbei. Der langersehnten Auf- und Ausbau konnte beginnen!


So ein Wohnmobil-Ausbau erinnert stark an den konventionellen Hausbau. Mal abgesehen davon, dass alles redundant und dazu noch erdbebensicher sein muss. Denn man möchte ja auch weitab vom Schuss nicht auf Annehmlichkeiten wie 12 und 110 Volt-Strom, fliessend Kalt- und Warmwasser, Gas zum kochen und Warmwasser aufbereiten sowie eine funktionierende Toilette verzichten müssen. Zu diesem Zweck reicht es also nicht aus, einfach die entsprechenden Leitungen zu verlegen und Anschlüsse einzubauen, man muss zudem noch eine eigene Wasser- und Flüssiggas-Zisterne, ein Abwasser-Sammelbecken (getrennt nach Schwarz- und Grauwasser) sowie eine portable Energiequelle für den Hausstrom inkl. Nachschubsicherung einplanen. Und da auch noch alles ständig in Bewegung ist, sollte das ganze auch noch erdbebensicher sein. Rückblickend sehe ich die ganze Ingenieurskunst hinter diesen Fahrzeugen mit ganz anderen Augen. Klar hört man immer wieder, dass es zwischen den Camper-Herstellern enorme Qualitätsunterschiede gibt. Und das ist auch sicher richtig. Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass auf diese rollenden Mini-Heime ein paar physikalische Gesetze mehr einwirken, als auf ein konventionelles Haus. Und um den ganzen gesetzlichen Bestimmungen sowie einer ökologischen Kraftstoff-Bilanz gerecht zu werden, muss das ganze auch noch in Leichtbauweise hergestellt werden. Da beisst sich die Katze zwangsläufig in den Schwanz.

In den USA spielt zumindest der Faktor Gewicht per Gesetz glücklicherweise keine allzu grosse Rolle. Solange ein Fahrzeug als RV (Recreational Vehikel) zugelassen ist, was frei übersetzt „Erholungs-Fahrzeug“ bedeutet, darf man hier praktisch alles mit dem normalen PKW-Führerschein durch die Landschaft gondeln. Unser ehemaliger Schulbus bekam diese begehrte RV-Zulassung völlig unkompliziert, als man uns auf einer Zulassungsstelle in Utah die Kontrollschilder aushändigte. Darüber ob das nun fahrlässig oder vernünftig ist, muss jeder selbst entscheiden. Wenn ich mir die Unfallfahrzeuge hier in den Strassengräben so anschaue, belegen die Faktoren Gewicht und Dimension in der Unfall-Ursachen-Statistik jedenfalls keinen der vorderen Plätze. Aber wieder zurück zum Thema.

Aller Anfang ist die Planung, weiss der Volksmund richtigerweise zu berichten. Und glaubt mir liebe Freunde, diese bei einem Bus als Herausforderung zu bezeichnen, ist die pure Untertreibung! In dieser Angelegenheit haben wir uns wohl am meisten verschätzt. Die Raumplanung eines Schulbusses fühlt sich in ungefähr so an, als würde man sich dem Ausbau eines ohnehin schon sehr kleinen Hauses widmen, welches dazu noch den strengen Auflagen des Heimat- und Denkmalschutzes untersteht. Nur dass einem dabei keine dümmliche Gesetzte die Luft zum Planen nehmen, sondern ein paar fahrzeugeigene Gegebenheiten, die selbst ein ausgeschlachteter Bus noch so mit sich bringt. 

Angefangen bei den beiden massiven, rund 100 x 60cm grossen Radkästen, die ziemlich genau in der Fahrzeugmitte prominent von beiden Seiten her in den Bus hinein ragen. Doch es ist letztendlich weniger deren Fläche die einem das Planen erschweren, als deren Höhe von rund 30 cm. Gepaart mit der Tatsache, das dieses charakteristisch runde Busdach nach Aussen hin sowieso massiv an Höhe verliert, sind diese beiden Bereiche Mitten im Bus schonmal Tabu für alles, worin man später einmal aufrecht stehen möchte.

Weiter gehts mit den beiden ausladenden Fensterfronten. 10 Fenster je Seite die mehr oder weniger nahtlos ineinander übergehen. Unter diesen Umständen eine gescheite Raumplanung hinzukriegen, grenzt schon fast an Nötigung. Es wäre ja absolut unsinnig, eine Wand mitten durch ein Fenster hindurch hochzuziehen. Also gilt es darauf zu achten, dass sich die Räume jeweils irgendwo zwischen zwei Fensterrahmen begrenzen. Uns war natürlich bewusst, dass wir letztendlich nicht drumherum kommen werden, uns von einigen Fenstern zu trennen. Ein Fenster hinter einem Kleider- oder Kühlschrank macht nicht nur keinen Sinn und sieht doof aus, sowas ist auch völlig unprofessionell. Aber den dafür notwendigen Aufwand, die Fenster ausbauen und durch massangefertigte Bleche zu ersetzen, diese anständig zu fixieren und richtig abzudichten, möchte man dann doch auf lieber ein Minimum reduzieren! Und ausserdem will man sich auch nicht unnötig von den licht- und frischluftspendenden Fenstern trennen. Es sei denn, man ist ein lichtscheuer Vampir.

Und „last but not least“ war da noch die spannende Tatsache, dass unter dem Bus vor lauter Fahrzeugteilen kein Platz mehr für das Verlegen der ganzen Abwasserrohre ist. Die massive Antriebswelle, der Auspuff, die beiden Achsen, zwei überdimensionale Luftdruck-Bremszylinder, Blattfedern in Grösse und Form von Hängematten, ein Badewannen grosser 240 Liter Dieseltank, der an eine Fliegerbombe erinnernde Luftdrucktank, Schläuche, Rohre und Kabel sowie eine Flut von weiteren offensichtlich notwendigen Fahrzeugteilen hatten sich dort unten bereits dauerhaft und unverrückbar eingenistet. Aber irgendwie musste das ganze Abwasser schlussendlich von Dusche, Waschbecken und Klo her in die jeweiligen Abwassertanks gelangen. Das Zeug einfach unten rauslaufen zu lassen, erschien uns nicht nur als zu eklig, es dürfte auch ein paar unangenehme Fragen von Behördenvertretern und Campingplatzbesitzern nach sich ziehen. Das Ergebnis einiger schlaflosen Nächte bestand darin, dass es wohl am einfachsten wäre, die Leitungsführung auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Das wiederum bedeutete allerdings, dass Küche und Dusche dahin gehören, wo unterhalb des Busses auch noch gleich Platz für den 284 Liter grossen Grauwassertank ist. Gleiches gilt für die Toilette, deren Hinterlassenschaften möglichst im freien Fall in den 152 Liter fassenden Schwarzwassertank gelangen sollten. Dumm nur, dass unter dem Bus pro Seite jeweils nur Platz für einen der grossen Tanks war. Also mussten wir die entsprechenden Räume nun auch noch auf je eine Seite aufteilen. Toll … nicht wahr?



PS: Falls ihr euch gefragt haben solltet, warum wir die ganzen Leitungen nicht einfach in einen Zwischenboden gepackt haben, so ist die Antwort in der Tatsache zu finden, dass Schulbusse für Menschen im Zwergenstadium konzipiert wurden, die dazu noch die meiste Zeit sitzend darin verbringen. Kopffreiheit ist selbst im Mittelgang der meisten Bussen ein echter Luxus, den selbst Menschen wie wir, mit einer sagen wir mal „moderaten“ Körpergrösse, nicht als ausladend bezeichnen würden. Nicht umsonst ist einer der am häufigsten anzutreffenden Gross-Modifikationen bei „Skoolies“ die Anhebung des Daches, genannt „Roof-Raise“.

So … nun aber genug davon. Keine Ahnung ob ihr uns überhaupt noch folgen konntet. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt jedenfalls streckenweise komplett die Orientierung verloren. Zumal es daneben ja noch zig weitere ungeschriebene Gesetze bei der Raumplanung gibt. Keinen blassen Schimmer wieviele Entwürfe in hohem Bogen im Mülleimer landeten, bis wir letztendlich einen allen Umständen möglichst gerecht werdenden Grundrissplan auf dem Reissbrett hatten. Und soweit wir sehen konnten, war soweit alles untergebracht


Mit diesem Plan in Händen konnten wir endlich anfangen die ganzen Wasser-, Gas- und Stromleitungen dahin zu verlegen, wo sie letztendlich auch einen Sinn ergeben. In dieser Zeit sah der Bus teilweise so aus, wie eines dieser abgewrackten Raumschiffe aus einem billigen Science-Fiction Film. Tonnenweise Schläuche, Rohre und Kabel in allen möglichen Farben und Formen schlängelten sich durch den Bus oder baumelten fröhlich von der Decke und den Wänden. Dort wo später einmal die Hirnzentrale, also der Technikschrank mit den ganzen Gerätschaften eingeplant war, strömten das organisierte Chaos von Strom- und Steuerungskabeln zusammen.


Die Wasserleitungen mit den ganzen Pumpen und Umschalthebeln fanden im Heck, dort wo später einmal unser Bett stehen würde, ihre Quelle in Form von zwei grossen, Total 318 Liter fassenden Frischwassertanks.

Die Gasleitung wollten wir aus nachvollziehbaren Gründen lieber ausserhalb des Busses wissen. Im Gegensatz zu Abwasserleitungen sind diese Leitungen einiges kleiner und flexibel genug, um sich ihren Weg zwischen den ganzen Fahrzeugteilen hindurch bahnen zu können. Ausgehend von zwei Gastanks, welche unter dem Bus auf einem eigens zusammengeschweissten Gestell ihren Platz gefunden hatten, schlängeln sich die Leitungen an den Ort, wo sie später im Bus benötigt werden. Dazu gehört der Durchlauferhitzer, der Herd mit Backofen und der Kühlschrank. Letzterer lässt sich entweder mit 12V, 110Volt Strom oder eben Gas betreiben. Diese technische Errungenschaft lassen sich die Hersteller dieser Kühlschränke fürstlich bezahlen. Für das gleiche Geld bekommt man einen ausgewachsenen, doppelflügligen Hauskühlschrank mit integriertem Ice-Maker und allem Pipapo! Frechheit sowas. Aber so ist es leider nunmal. Sobald etwas für die Camper-Szene hergestellt wird, zahlt man einfach noch den Erholungs-Bonus obendrauf.

Rückblickend habe ich keine Ahnung mehr, wie wir dabei die ganze Zeit den Überblick über dieses Leitungschaos behalten haben. In unzähligen Teilprojekten wühlten wir uns durch das organisierte Chaos, um dann irgendwann, leicht zerzaust und mit wirrem Blick, dafür aber sehr zufrieden wieder draus hervorzutreten. Die ersten Tests liessen ausserdem berechtigte Hoffnung aufkommen, dass wir dabei nichts durcheinander gebracht oder vergessen hatten. Und so verschwand in den darauffolgenden Tagen der ganze Schlauch-/Kabelsalat unter einer dicken Schicht Isolation und einer Lage Sperrholz. Und damit war die Unterkonstruktion fertig und der einst nüchterne Metallröhren-Charme verwandelte sich in etwas, das man fast schon als heimelige Alphütten-Romantik bezeichnen kann.



Von den insgesamt 20 Fenstern, die wir während dem Ausschlachten ausgebaut hatten, fanden dabei nur 14 Fenster wieder den Weg zurück in den Bus. Da wo der Planung zufolge später einmal ein Kleiderschrank oder der Kühlschrank stehen würde, waren nun Metallbleche in die Fensteröffnungen eingelassen. Drei davon fielen alleine der Privatsphäre der Kinder in ihren Schlafkojen zum Opfer. Denn deren Stockbetten ziehen sich über eine Länge von drei Fenster und ich denke niemand schläft gerne in einem gläsernen Schaukasten. In das Metallblech, welches sich am Kopfende der Stockbetten befindet, haben wir oben und unten jeweils ein handelsübliches Wohnmobilfenster im Stil einer mittelalterlichen Schiessscharte eingelassen. Denn wer schon mal ein amerikanisches Schulbusfenster aus der Nähe gesehen hat, weiss, dass man nur die obere Hälfte herunterlassen kann bzw. öffnen kann. Bei einem Stockbett würde das bedeuten, dass nur die Person oben an Frischluft herankommt, während unten permanent der Mief stockt.



Zwei zusätzliche Metallbleche, für die wir uns nochmals ganz herzlich bei unserem „Schatzi Dustin“ bedanken möchten, fanden im Anschluss noch ihren Weg auf’s Dach. Denn in den Ausschnitt der beiden grossen Notausstiegsluken da oben passen beim besten Willen keine handelsüblichen RV-Dachventilatoren. Und die brauchten wir wirklich dringend! Denn wir haben uns ganz unamerikanisch dazu entschlossen, auf eine Klimaanlage zu verzichten. Nicht weil wir es lieben im eigenen Saft zu baden. Doch die Absicht im kanadischen Norden unsere Zelte aufzuschlagen, versprach an sich schon über weite Teile des Jahres ausreichend Erfrischung. Ausserdem haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Bus so auszubauen, dass wir möglichst lange ohne irgendwelche Anschlüsse auskommen. Eine brauchbare Klimaanlage mit Solarpaneelen zu betreiben würde bedeuten, praktisch das komplette Dach damit zuzupflastern. Und das stand für uns nicht nur aus Kostengründen ausser Frage.


Während wir also dem Faktor „Kühlung“ eher wenig Aufmerksamkeit zuteil werden liessen, bzw. einfach durch zwei umschaltbaren Dachventilatoren zu regeln gedachten, haben wir uns zum Thema „Heizung“ hinsichtlich unserer Kanada-Pläne schon etwas mehr Gedanken gemacht. Wenn einen Temperaturen von bis zu -40° angedroht werden, sollte man sich da schon etwas einfallen lassen, wenn man nicht wie der gute alte Özi enden will. Wenn man an eine Wohnmobil-Heizung denkt, denkt man eigentlich automatisch an eine Propan-Heizung. Je länger wir recherchierten, desto mehr drängte sich uns allerdings die Alternative einer Diesel-Heizung auf. Nicht nur der unglaublich tiefe Anschaffungspreis liess uns aufhorchen, auch der niedrige Verbrauch, die Laufruhe und vor allem die angeblich sehr trockene Hitze, die jegliche Feuchtigkeit aus der Bude vertreibt, haben uns letztendlich dazu bewogen, uns auf dieses Experiment einzulassen. Rückblickend gesehen eine der besten Entscheidungen.

Als das Ding einige Tage später eintraf und wir neugierig den Karton in Fetzen rissen, waren wir erstmal kolossal überrascht. Das Ding war derart mickrig, dass wir uns ernsthaft fragten, wie so etwas kleines unsere doch recht grossen Erwartungen erfüllen soll. Aber wie sagt man so schön? Grösse ist nicht alles! Und so drängten wir unsere Bedenken kurzerhand beiseite und gaben dieser angeblichen Wunderheizung aus Fernost eine faire Chance. Nachdem alles sauber angeschlossen war erweckten wir das kleine Kerlchen per Knopfdruck zum Leben. Freunde … wir haben keine Ahnung ob das Ding über ein internes Magma-Reservoir oder einen kleinen Kernreaktor verfügt … und eigentlich ist es uns auch ziemlich Schnuppe! Dieser Miniatur-Hochofen zum Schnäppchenpreis verwandelt die Bude in Windeseile und erstaunlich geräuscharm in eine finnische Sauna. Und das, obwohl wir den Regler von „Inferno“ bereits auf „minimum“ heruntergeschraubt hatten. Erst als uns ein paar Monate später dann tatsächlich die veranschlagten -40°C um den Bus pfiffen, stellten wir vorsichtig eine Stufe höher. Beim Tip mit der Dieselheizung wurde uns in den „Skoolie-Foren" tatsächlich nicht zu viel versprochen. Herzlichen Dank!


Nachdem nun mehr oder weniger alles, was unser rollendes Heim später einmal über Rohre, Kabel, Schläuche und Gebläse mit irgendeinem lebensbereichernden Medium versorgt, an Ort und Stelle platziert war, konnten wir endlich mit dem Aufbau der Räume beginnen. Wie bereits erwähnt, spielt in den USA der Faktor „Fahrzeuggewicht aus gesetzlichen Gründen“ keine allzu grosse Rolle. Das bedeutet, man muss nicht zwingend auf irgendwelche filigranen, mit Luftwaben gefüllte Holzimitate zurückgreifen, damit man später beim Anblick einer Polizeikontrolle nicht in Schnappatmung ausbricht. So konnten wir also ohne schlechtes Gewissen auf etwas stabilere Materialien zurückgreifen. In der sogenannten Holzständer-Bauweise entstand so über die nächsten Tage ein Raum nach dem anderen und wir bekamen langsam ein Gefühl dafür, wie sich unser späteres Zuhause einmal räumlich anfühlen würde. 






Denn Papier nimmt ja bekanntlich alles an, entspricht aber nicht zwangsläufig der Realität. In diesem Fall sah die Planung nicht nur gut aus, sie fühlte sich in echt ziemlich gut an. Elternbett, Kinder-Stockbetten, Toilette, Dusche, Küche, Sofa, Essbereich, diverse Schränke und weitere Stauräume schienen nahtlos und ohne beengend zu wirken ineinander überzugehen. Im Heck haben wir uns bei der Planung eine kleine „Garage“ erlaubt. Denn Stauraum ist etwas was man am sehnlichsten vermisst, wenn man in einem RV lebt. Und ausserdem gibt es einige Dinge, die möchte man aus geruchstechnischen oder hygienischen Gründen auch lieber ausserhalb des Wohnbereiches wissen. So opferten wir einen Teil unter unserem Bett sowie einen schmalen Streifen im Heck bis hoch zur Decke, um dort Dinge wie Schaufeln, Angelruten, Werkzeuge, Ersatzkanister und anderes sperriges Zeug unterzubringen.


Während ich noch mit den letzten Abschlussarbeiten der plastischen Raumgestaltung beschäftigt war, machte sich Amy daran, all die Kabel, die mittlerweile im Innern des Technikschrankes lose herumbaumelten, zu ordnen und ihrem Bestimmungsort zuzuführen. Wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, würde man nicht glauben, wieviele Kabel und Geräte in so einem Gefährt stecken. Von fingerdicken Alternator-Kabeln bis runter zu den hauchzarten Steuerungskabeln für Dinge wie Füllstandsanzeigen & Co. ist alles vertreten. Freunde war ich froh, dass Amy nicht wie ich an einer ganz üblen Gebrauchsanweisungs-Allergie leidet. Damit ist wirklich nicht zu spassen! Wenn ich so einen knochentrockenen Schinken nur schon von weitem sehe, wird mein Mund staubtrocken, meine Augenlider beginnen nervös zu zucken und mich überfällt eine unglaubliche Müdigkeit. Nicht ganz so schlimm aber sehr ähnlich verhält es sich bei Konsultationen von irgendwelchen Online-Foren oder YouTube-Tutorials. Und da stehe ich wohl stellvertretend für viele meiner Geschlechtsgenossen. Oder habt ihr schon mal ein männliches Wesen gesehen, welches interessiert über einer Hochbeet-Gebrauchsanweisung brütet? Und falls doch, stupst ihn mal vorsichtig an. Es könnte sich dabei auch um die aus dem Krieg bekannte „1000 Yard-Starre" handeln.

Aber zurück zum Thema und damit zu Amy’s Meisterprüfung in Wohnmobil-Elektrik. Einem Zen-Mönch gleich versenkte sie sich die Tage zuvor in diese zähflüssige Materie aus Gebrauchsanweisungen, Online-Foren und YouTube-Kanälen um dann, erleuchtet von dem ganzen Wissen, entschlossen zur Tat zu schreiten. Selbst heute noch, wenn ich z.B. den Ladestrom oder den Batteriestand ablese, die Tankheizungen anknipse, den Inverter einschalte um fern jeder Steckdose den begehrten 110V Strom zu geniessen, erschauere ich vor Ehrfurcht! Das war schon ganz grosses Kino, was Amy da in Eigenregie mit dem ganzen Kabelsalat veranstaltet hat!



Während sich Amy noch einem Bombenentschärfungskommando gleich durch die letzen Kabel wühlte, wechselte ich vom „Rohbau“ in den finalen „Innenausbau“. Eigentlich ist das ja schon ziemlich mies. Von all der ganzen Arbeit die in so einem Projekt steckt, entscheiden letztendlich Dinge wie eine nett anzuschauende Wand- und Deckenverkleidung, ein dazu passender Bodenbelag, Möbel, sowie ein paar Abschluss- und Sockelleisten darüber, ob man sich Zuhause wohl fühlt. Niemand fragt sich wohl beim Umlegen eines Lichtschalters: „Hmmm, welchen Weg wohl der Strom gerade genommen hat?“. Ebenso wenig beim Betätigen der Klospülung oder beim Einstellen des Raumthermostats. Zumindest nicht solange es funktioniert. Wenn ihr also das nächste Mal einen Handwerker auf der Strasse seht, klopft ihm ruhig mal anerkennend auf die Schulter und sagt sowas wie: „Das hast du wirklich sehr gut gemacht!“ Solange ihr dabei nicht lasziv flüstert oder unnötig oft blinzelt, sollte das eigentlich gut ankommen.


Das Hauptproblem beim Innenausbau liegt weniger in den handwerklichen Anforderungen, als darin, sich nicht allzu sehr zu verfransen. Der gute alte Wilfredo Pareto hat dieses Phänomen Anfang des letzten Jahrhunderts bereits analysiert und dabei richtigerweise herausgefunden, dass die letzten 20% eines Projekts 80% des Gesamtaufwandes ausmachen (und umgekehrt). Und damit hat der gute alte Wilfredo den Nagel mitten auf den Kopf getroffen. Denn weil man sich ja der Wichtigkeit dieses letzten Arbeitsschnittes bewusst ist, schmeisst man sich nochmal so richtig rein. Und was dabei nur schon alleine an Diskussionsbedarf entsteht, ist atemberaubend. Da kann man sich gut und gerne mal stundenlang in Holzoptik-Nuancen, dem Verdunkelungsgrad der Scheibentönung oder der Länge von Vorhängen verlieren. Zum Glück waren wir zu diesem Zeitpunkt an einem Punkt angelangt, wo uns langsam die Puste ausging. Vier Monate am Stück ohne echte Pause an so einem Bus rumzuwerkeln, in dem es nicht selten bis zu 40°C heiss wurde, zehrt schon ziemlich an den Reserven. Und ausserdem packte uns schon auch seit längerem wieder das olle Reisefieber. Diesen Faktoren war es dann wohl zu verdanken, dass wir diesen Arbeitsschritt mit einer gesunden Aufwand-/Ertrags-Billanz zum Abschluss brachten.

Selbstredend dass Amy dabei die Pinne fest in der Hand hielt. Beim Thema Innenausstattung scheint nun mal kein Weg am X-Chromosom vorbei zu führen. Gut, wenn man gleich zwei davon hat. Das sorgte dann auch dafür, dass der dunkle Vinyl-Boden in Holzoptik ganz hervorragend zu der sonst eher hellen Holzvertäfelung an Wänden und der Decke passte. Und sogar Amy’s Farbexperiment in der Küche, welches ich zu Beginn noch mit hochgezogenen Augenbrauen verfolgt hatte, passten letztendlich einwandfrei in’s Gesamtbild. Der offene Eingangsbereich mit der Essecke, der Couch und der daran angeschlossenen Küche, sowie der hintere Bereich mit der Dusche, den Schlafkojen für die Kids, unser Queen-Size Bett im Heck und dem Raum der Notdurft, liessen keinen Zweifel daran, dass es sich hier drin gut wohnen lassen würde!
Alles was noch zum definitiven Ende dieses Projektes fehlte, war dem Bus auch noch von Aussen seinen definitiven Look zu verpassen.

Seit Wochen schon werkelte Amy zwischendurch immer wieder an dessen Vorbereitung. Dem charakteristischen Original-Gelb rückte sie dabei mit Schleifpapier, Spachtel und literweise Azeton zu Leibe. Ein Knochenjob, der sich aber am Ende bezahlt macht. Dem Dach hatte Amy in der Zwischenzeit bereits mit einer weissen, auf Silikon basierenden und UV-Strahlung reflektierenden Farbe den endgültigen Look verpasst. Die Farbe mit dem vielversprechenden Namen „Tropi-Cool“, so wurde uns online mehrfach treuherzig versichert, soll die Innentemperatur um rund 6 Grad reduzieren. Kein billiger Spass, aber 6 Grad sind 6 Grad. Zum Auftragen dieser Farbe kamen die altbewährten Malerwerkzeuge „Roller & Pinsel“ zum Einsatz, weswegen wir den Bus dafür in der Scheune belassen konnten.


Beim nun folgenden „Paint-Job“, bei dem wir einen sogenannten „Bed-Liner“ verwenden, was nichts anderes als eine Schutzlackierung für Pick-Up Ladeflächen ist, kommt nun allerdings ein Kompressor mit Sprühpistole zum Einsatz. Selbstredend dass wir dazu die Halle verlassen müssen, denn beim empfohlenen Druck von 6 Bar versprach das Ganze eine ziemliche Sauerei zu werden.

Einer der Gründe, weshalb wir mit diesem Arbeitsschritt so lange zugewartet haben, liegt in den bislang eher suboptimalen Wetterprognosen. Denn bei so einem Job sollte es nicht nur trocken bleiben sondern auch noch möglichst windstill sein. Und besonders für Letzteres ist diese Gegend, die sich mitten in der sogenannten „Tornado Alley“ befindet, nicht gerade bekannt. Doch nun war keine Zeit mehr den optimalen Zeitpunkt abzuwarten. Der würde vermutlich besonders jetzt im Herbst eh nicht mehr kommen. Glücklicherweise hatte der Wetterdienst gleich für die nächsten Tage eher „moderaten“ Wind angekündigt. Und so rollte der Bus kurz darauf in Erwartung an das neue Outfit aus der blechernen Metallscheune.

Da man verständlicherweise nirgendwo eine allgemein gültige Gebrauchsanleitung für den Missbrauch von „Bed-Liner“ als Fahrzeuglack findet, war alles was wir hatten ein YouTube Video, in welchem uns ein bärtiger Mann etwas langatmig, aber dafür sehr enthusiastisch erklärte, mit welchem Druck man das Gemisch aus Farbe, Härter und Verdünner auf das Fahrzeug abschiessen soll. Gut dass einem dieser eher zähflüssige Farbmix die ersten unbeholfenen Spraystösse einigermassen wohlwollend verzeiht und es sich bei meinem „Übungsobjekt“ auch nicht um einen filigranen Sportwagen, sondern um einen grobschlächtigen Schulbus handelte. So konnte ich mich erstmal in Ruhe an die Materie herantasten, während ich mich im Verlauf des Tages volle zwei Runden um den Bus herum arbeitete bis mit dem letzten „pffft“ am späten Nachmittag der letzte Tropfen Farbe verschossen war. Und ohne angeben zu wollen Freunde, aber das Ergebnis konnte sich für die Premiere eines Laien ohne echte Anweisung wirklich sehen lassen! Selbst unter dem Aspekt, dass die Wetterfrösche unter „moderate Windprognose“ scheinbar etwas anderes verstehen als wir.


Mit Hilfe unseres Freundes Denny, der uns während des ganzen Projektes nicht nur ein guter Freund wurde sondern auch stets eine helfende Hand bereit hatte, befreiten wir den Bus von dem ganzen Abdeckmaterial und staunten nicht schlecht, was für einen enormen Unterschied so ein paar Kilo Ladeflächen-Schutzlack machen können! Die Farbkombination aus dem weissem Dach und der nun in einem Grau/Grün erstrahlenden Aussenhülle, ergänzt durch ein paar matt-schwarze Fahrzeug-Kontrastteile, passte so hervorragend zu diesem dinosauriös anmutenden Bus.

 

Nach dem wir unsere „Iron Lady“, wie wir den Bus mittlerweile inoffiziell aber sehr passend getauft haben, wieder in der Scheune verstaut hatten, wurde das ganze dann auch noch ordentlich gefeiert. Denn mit diesem Schritt bogen wir nun definitiv und unwiderruflich auf die Zielgerade ein.
PS: „Iron Lady“ ist übrigens nicht der offizielle Name des Busses. Denn biologisch gesehen ist „sie“ ein „er“ und wurde von unseren Kindern auf den Namen „AL-BUS“ getauft. Eine kleine Wortspielerei in Anlehnung an den hageren, weisshaarigen Zauberer-Chef aus Chateau Hogwarts. Wie kann man da schon nein sagen, wenn die eigenen Kinder mit einem solchen Wortwitz um die Ecke kommen und sich dabei vor lachen kugeln?

Die noch verbleibenden Tage bei unseren Freunden in Kankakee verbrachten wir noch mit den letzten Abschlussarbeiten. Dinge wie Sitzkissen für die Bänke anfertigen, Bezüge anpassen, den Stromgenerator an’s Heck und zwei Tool-Boxen als zusätzlichen Stauraum unter den Bus montieren, hier noch etwas nachziehen, da noch was nachjustieren. Pünktlich zum Abschluss erwachte dann auch noch das Kind in Papa. Luftdruck-Hörner, welche die Titelmelodie der Serie „Ein Duke kommt selten allein“ tröten sowie einige neue Knöpfe im Cockpit, die Bezeichnungen wie „Sasquatch Light“, „Beer“ oder „Missile Lunch" tragen, waren das Ergebnis davon. Soviel Zeit muss sein!


Tja und dann war es vollbracht! Ganz plötzlich und völlig unspektakulär kam dieses intensive, exakt 125 Tage andauernde Projekt, bei dem wir uns genau 5 Tage Auszeit gönnten, zu einem abrupten Ende. Es fühlte sich so an, als hätte jemand bei voller Fahrt kurz nach der Ziellinie die Handbremse gezogen und das Licht gelöscht. Keine Ehrenrunde, kein Siegertreppchen, keine Champagner-Dusche … einfach Schluss, Aus, Amen! Und das obwohl wir uns gerade fühlten, als hätten wir den Mount Everest bei Nacht und nur mit einem Lendenschurz bekleidet auf einem Bein rückwärts hüpfend bezwungen. Scheinbar hatten wir uns dermassen in diesem Projekt verloren und dabei eine Routine angenommen, dass sich die nun einstellende Ruhe wie ein quälendes Vakuum anfühlte. Natürlich wussten wir, dass sich das in Kürze wieder legen würde. Denn auf der anderen Seite freuten wir uns wie kleine Kinder darauf, endlich mit unserem neuen „Home on Wheels“ zu neuen Abenteuern aufbrechen zu können. Aber für den Moment war da schon ziemlich was los in unserer Gemütswelt.


Die kurz darauf von unseren Freunden organisierte „Farewell Party“, zu der sich die Crème de la Crème der ganzen Gegend einfand und bei der wir uns von all den zwischenzeitlich lieb gewonnenen Menschen hier verabschieden konnten, half uns dann definitiv aus diesem Loch heraus. Denn nun war es offiziell: Es geht weiter!

Stellt euch mal vor, eine 4-köpfige Familie, die ihr vor einem Jahr kennengelernt und seit da nicht mehr gesehen habt, fragt bei euch an, ob sie in eurer Garage einen Monat lang einen Bus umbauen dürfen. Was würden ihr antworten? Stellt euch weiter vor, diejenigen wären nach vier Monaten immer noch damit beschäftigt und bewohnen seither den von euch angebotenen Wohnwagen in eurem Garten. Was würden ihr tun? Wir für unseren Teil wissen es nicht. Wir können nur hoffen, dass wir in so einer Situation gleich reagieren würden. Die Familie Dunnill hat jedenfalls für immer einen Platz in unseren Herzen gefunden und wir hoffen wirklich, dass wir uns eines Tages gebührend bei ihnen revanchieren können.

So verabschiedeten wir uns kurz darauf mit wehendem Taschentuch von unseren Freunden und brachen mit „AL-BUS“ auf in einen mittlerweile schon schwer nach Winter riechenden Novembermorgen. Allgemeine Richtung: Kanadische Grenze. Denn so richtig konnte uns bisher immer noch niemand sagen, ob man umgeimpft die Grenze nach Kanada passieren kann.

 


Klar, wenn man den Angaben auf den offiziellen Regierungs-Webseiten folgt, kann man grundsätzlich gleich die Flinte in’s Korn werfen. Als wir 2020 däumchen drehend in der Schweiz hockten und verzweifelt einen Weg in die USA gesucht haben, hiess es auch „No Chance“. Bis uns jemand auf den Umweg über die 2-wöchige „Mexiko-Quarantäne“ aufmerksam gemacht hat. Als wir kurz darauf unseren 5th Wheel Wohnanhänger inklusive Truck nach Bremerhaven zum Verschiffen bringen wollten, hiess es kurz zuvor ebenfalls „Keine Einreise nach Deutschland mehr möglich“. Als wir es trotzdem versuchten und dabei zu allem Übel mit dem Gespann noch einige Leitkegel am Zoll umgefahren haben, meinte der Polizist auf der deutschen Seite nur: „Ich stell sie wieder hin … gute Fahrt“. Wir haben zwischenzeitlich gelernt, dass Regierungen mit scharfen Restriktionen einem auf den offiziellen Kanälen keine Hoffnungen auf eine Einreise machen. Egal auf welchem Weg. Jedoch besteht meist ein grosser Unterschied, ob man auf dem Land- oder Luftweg einreist. Denn auf dem Landweg stehen einem keine Airlines im Weg, die einen ohne Impfpass schon gar nicht an Board lassen. Aber die Gesetzeslage, und auf die kommt es ja letztendlich an, sieht das nicht selten anders. Erschreckend, dass man sich „inoffiziellen“ Quellen bedienen muss, um das herauszufinden. Mit diesem Gefühl starteten wir nun auch in Richtung Kanada. Einigen Gerüchten zu folge, soll es auf dem Landweg, mit dem ganzen Testprozedere, immer noch möglich sein, ohne Impfung die Grenze zu passieren. Wir werden es wohl in Kürze herausfinden.

 

Um dem mittlerweile sehr schnell nahenden Winter nicht in die Fänge zu geraten, hatten wir uns zwischenzeitlich entschlossen, die Rocky Mountains komplett zu umfahren. Von Illinois aus runter nach Texas, rüber nach Albuquerque (New Mexico), dann durch Utah um die Gebirgskette herum und von da aus wieder hoch nach Salt Lake City (Utah), wo wir mit dem Gedanken spielten, die in der Nähe wohnende Familie Archibald, von denen wir unseren Bus einige Monate zuvor abgekauft hatten, zu besuchen. Danach sollte es von da aus geradewegs hoch an den Grenzübergang Osoyoos gehen. Dieser Grenzübergang war uns noch bestens in Erinnerung, als wir 2019 dort wieder in die USA einreisten und dabei ohne grosses Prozedere für sechs weitere Monate eine Aufenthaltsbewilligung in den USA bekommen hatten. Es wird sich zeigen, ob wir in die andere Richtung auch so viel Glück haben.

2800 Meilen oder rund 4600 Kilometer lagen nun vor uns und wir freuten uns, auf der ersten Etappe nach Süden noch etwas Sonne tanken zu können. Denn wenn unser Plan aufgehen sollte, würden wir uns noch schnell genug im tiefen, kanadischen Winter wiederfinden. Aber selbst darauf freuten wir uns wie ein Honigkuchen-Pferd (oder wie der Italiener sagen würde "Cavallo-Torta-Miele"). Denn das würde bedeuten, dass wir es geschafft haben.


Und damit kommen wir zum Ende dieses Newsletters. Macht es wie immer gut liebe Freunde, haltet die Ohren steif und auf bald!


Eure „Home on Wheels“
Martin, Amy, Lynn & Jamie