EUROPE TRAVEL-BLOG #1
Die Reise beginnt
10.-20.09.2020
Geschlagene 7 Monate ist es nun her, seit sich unser rollendes Zuhause das letzte Mal in Bewegung gesetzt hat. 7 Monate zu viel, wenn man sich unsere ursprünglichen Pläne, nach der Rückkehr aus den USA im Februar 2020 zu einer ausgiebigen Europa-Tournee zu starten, in Betracht zieht. Rückblickend betrachtet hatten wir aber auch unglaubliches Schwein mit unserer Familie, die uns in dieser ungeplant langen Zeit nicht nur bewirtet und beherbergt, sondern auch ausgehalten hat. An dieser Stelle nochmal ein grosses Danke an euch … ich weiss, es war bestimmt nicht immer leicht.
So soll es nun also eine verkleinerte Runde durch den alten Kontinent werden. Zum einen wegen unseren Auswanderungsplänen nach Canada und zum anderen haben wir keine Ahnung, wie sich die sändig wechseln Corona-Beschränkungen auf den Reisealltag auswirken, wie einfach es wird entsprechende Stellplätze zu finden und letztendlich wie sich der Herbst meteorologisch entwickelt. Alle Fakten zusammengefasst lassen uns jedenfalls auf eine grossartige Planung verzichten. Weder was die Route anbelangt, noch was die Dauer betrifft. "Rollende Planung" nennt man sowas in der Geschäftswelt. Ein Begriff, der irgendwie auch hervorragend hierher passt. Alles was wir momentan wissen, ist, dass es grob mal Richtung Süden geht.
Um nicht gleich am ersten Tag mit der vollen Breitseite der Realität konfrontiert zu werden, haben wir uns für eine einigermassen sichere Variante bei der Platzwahl entschieden. Aus vergangenen Reisen kennen wir vor allem in der Schweiz und Italien einige Campingplätze, die in unserer Erinnerung über ausreichend grosse Stellplätze verfügen. Einer davon, der „Campo Felice“, befindet sich im schönen Kanton Tessin, direkt am noch schöneren Lago Maggiore, umweit der Italienischen Grenze. Da wir es absolut nicht eilig haben und das Wetter sich gerade von der besten Seite zeigt, endet so unsere erste Etappe bereits nach rund 180 Kilometern in der Ortschaft Tenero.
Leider haben wir dabei die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wir wussten ja, dass wegen Corona viele Schweizer ihre Ferien dieses Jahr bevorzugt im eigenen Land verbringen. Dass die verhältnismässig lockeren Corona-Massnahmen auch viele ausländischen Gäste anziehen, haben wir dann erst später von den Betroffenen selbst erfahren. So platzen hier gerade sämtliche Campingplätze in der "Sonnenstube" der Schweiz trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit aus allen Nähten. Nach langer Beratung hatte die beflissene Dame am Empfang des "Campo Felice“ dann wenigsten einen einzigen Platz im Angebot, der frei und in entsprechender Grösse verfügbar war. Damit hatte sie zwar nicht ganz unrecht, nur bringt das leider gar nix, wenn drumherum die Wohnwagen, Zelte und Hecken einen undurchdringlichen Wall bilden, durch den hindurch ein Manövrieren schlicht unmöglich erscheint. Gerade als wir uns wieder entmutigt auf den Rückweg machten, erregte ein weiterer Platz unser neugewecktes Interesse. Und der war nicht nur frei, Sonden bot nach einer genauen Inspektion ideale Rahmenbedingungen, um unser rollendes Kabuff da irgendwie reinzupressen. 15 nervenaufreibende Minuten später bewahrheitete sich zum Glück unsere Hoffnung und wir standen in der Parzelle! Zwar schräg wie sonst was, aber drin ist schlussendlich drin! Die Tatsache, dass der ganze Vorgang von diversen Schaulustigen mit ihren Kameras dokumentiert wurde, machte die Sache nicht gerade entspannter. Die vielen daraus resultierenden Gespräche danach liessen uns aber ganz schnell wieder in das gewohnt süsse und entspannte Camperleben eintauchen.
Wir haben ja bereits geahnt, dass unser Gespann das eine oder andere Interesse auf sich zieht. Aber diese Dimension hat uns dann nicht nur hier, sondern auch auf der gesamten weiteren Reise komplett überrascht. Das unglaublich schöne dabei ist, es waren und sind bis heute durch’s Band alles Begegnungen mit offenen, herzlichen und interessanten Menschen. Einige dieser Bekanntschaften gingen letztendlich weit über die anfängliche Neugierde hinaus und haben das Potenzial für mehr als nur über die Campingplatzgrenze hinaus.
Ursprünglich hatten wir mal für 2 Nächte gebucht, da wir uns Zeit nehmen wollten, die aktuelle Reisesituation in Europa gründlich abzuchecken. Natürlich wurden schlussendlich drei Nächte draus. Wenn man daneben noch so viele nette und interessante Menschen kennenlernt, verschieben sich automatisch die Prioritäten und das ist auch gut so.
Amy hat im Vorfeld bereits erfahren, dass man in Griechenland noch die Möglichkeit hat, frei und ungestört seinen Camper nach belieben irgendwo hinzustellen. Und zwar ohne Gefahr zu laufen, um 3 Uhr Morgens von einem netten Ordnungshüter mit steifer Mütze unsanft aus dem Schlaf gerissen und zum Teufel gejagt zu werden. Unterlegt waren die meisten dieser Berichte mit idyllischen Bildern von sehr glücklich wirkenden Menschen, die mit ihren Campern teilweise direkt auf dem Sandstrand parkten. Grund genug, sich mal etwas näher mit diesem Land auseinander zu setzen. Ein Blick auf die Karte verriet, dass der direkte Weg dahin auf dem Landweg durch Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Montenegro und Albanien führt. Auf den offiziellen Webseiten dieser Staaten erfuhren wir weiter, dass einer Einreise aktuell nichts im Wege steht oder einem zumindest die Durchfahrt ohne Corona-Auflagen gewährt wird. Soweit - so gut! Nur leider sieht es bei der Einreise am erklärten Hauptziel, Griechenland, momentan nicht sonderlich rosig aus. Rein kommt man angeblich nur über einen einzigen Grenzübergang von Bulgarien her und auch dann nur mit einem aktuell negativem Covid-Test. Im Gegenzug bestehen ironischerweise bei der Einreise auf dem Seeweg (z.B. mit der Fähre) nicht die geringsten Auflagen. Scheinbar leidet das Sars-Cov-2 Virus an der weiterverbreiteten Seekrankheit. Um uns zumindest geografisch vorerst mal alle Optionen offen zu lassen, haben wir uns als nächstes Etappenziel die Gegend um Venedig ausgesucht. Denn von dort aus gelangt man in ohne Umwege oder doppelte Wegstrecke in alle erdenklichen Ecken Europas. Immer vorausgesetzt, die Situation in den Ländern werden nicht noch zusätzlich verschärft.
Nun haben wir zwar einen Plan, aber immer noch keine Eile. Denn auf dem Weg Richtung Venedig befindet sich praktisch am Wegesrand noch der wunderschöne Gardasee. Den links einfach so liegen zu lassen, wäre ja wirklich jammerschade. So setzten wir bereits nach 250 Kilometern erneut den Blinker, nahmen die entsprechende Ausfahrt und machten uns beschwingt auf den Weg zum „Lago di Garda.“ Aus purer Intuition heraus haben wir uns dabei für den Campingplatz „La Querzia“ entschieden. Angeblich verfügt der über ein paare grössere Stellplätze, was ihn in der Rangliste unserer potenziellen Gastgeber weit in die vorderen Ränge katapultierte. Das allerdings sollte sich nach unserer Ankunft ganz schnell wieder ändern. Es ging damit los, dass uns, kaum waren wir ausgestiegen, bereits ein maskierter Angestellter mit gezücktem Fieberthermometer entgegen stakste - den Finger bereit am Abzug. Mehr aus einem Reflex als aus einer bewussten Handlung heraus konnte ich mich im letzten Moment unter dem Infrarot-Strahl hinwegzuducken. Kollege … bei der Hitze hab ich von Natur aus 40° Betriebstemperatur, da brauchst du nichts messen! Meinen Einwand, wir möchten die potenziellen Plätze gerne erst mal sehen bevor wir was buchen, scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu haben und er sah für’s Erste von einer investigativen Nachmessungen ab. Stattdessen drückte er uns einen Plan vom Campingplatz in die Finger und zeigte auf ein paar Plätze weit abseits vom See, ganz oben auf dem Hügel, die für unser Gefährt in Frage kommen. Vielleicht sind wir einfach noch zu amerikanisch geprägt, vielleicht lag es auch einfach nur an der Tatsache, dass gleich um’s Ecke mehrer fahrbereite Golf-Carts herumstanden. Jedenfalls waren wir der festen Überzeugung, gleich mit so einem Gefährt herumkutschiert zu werden. Weit gefehlt! Scheinbar nimmt seine fiebermesserische Tätigkeit mehr Priorität ein, als uns bei der Bullenhitze da kurz hochzufahren. In Ermangelung an Alternativen nahem wir anschliessend den Aufstieg, mit zwei arg maulenden Kids im Schlepptau, halt zu Fuss in Angriff. Um’s kurz zu machen, das Ergebnis war ernüchternd: Tiefhängende Äste, Stellplätze die das Prädikat „XXL" bestimmt nicht verdient haben und dazu noch in Sackgassen münden, sind momentan nicht so unsere Freunde. So machten wir uns also wieder auf den beschwerlichen Rückweg, wobei wir peinlich genau auf das verräterische Piepen irgendwelcher Fiebermessegeräte achteten.
Bei der Anfahrt zum „La Querzia“ sind wir an einem weiteren grossen Campingplatz vorbeigefahren, auf dem wir vor ein paar Jahren bereits zu Gast waren. Dem „Piani di Clodia". Bevor wir uns also wieder auf den Weg Richtung Venedig machen oder auf einem Restaurantparkplatz um Unterschlupf betteln müssen, wollten wir da erst mal anklopfen. Natürlich war auch dort das Angebot an übergrossen Stellplätzen nicht gerade üppig, aber wenigstens setzt man hier die Prioritäten richtig. Statt Fiebermessen setzt man auf altbewährte Kundenfreundlichkeit und so wurde ich kurz nach der Ankunft von einem netten Angestellten (ohne Maske und Fieberthermometer) in einem Golf-Cart über den Platz und zu einem Bereich kutschiert, wo man die rollende Dekadenz unterbringt. Schöne Vehikel standen bereits da rum, doch leider waren die wenigen freien Plätze dazwischen so ungünstig angelegt, dass man an's reinfahren nicht mal denken durfte. Bis auf einen Stellplatz, den mein Chauffeur trotz mehrfachem dran Vorbeifahren stoisch ignorierte. Direkt an einer Kreuzung gelegen, versprach dieser Platz einparktechnisch ein Kinderspiel zu werden. Einziger Knackpunkt: Dort stand bereits ein Auto. Irgendwann ergriff ich die längst überfällige Initiative und fragte: „Was ist denn mit diesem Platz hier?“ Die Antwort war verblüffend und verwirrend zugleich. Das Auto gehöre einem Stammgast, der sich so die einfache Ausfahrt zur Strasse hin frei hält. Mein ungläubiger Blick schien ihm irgendwie den Mut verliehen zu haben, den er brauchte, um den Mann zumindest mal anzusprechen. Denn schon quietschten die Reifen und im strammen Stechschritt marschierte mein Chauffeur auf den Halter des Wagens zu. Entgegen meiner Befürchtung entpuppte sich der Mann als äusserst angenehmer Zeitgenosse, der nicht nur einsichtig, sondern im Anschluss auch noch überschwänglich hilfsbereit beim Einparken war. Die Begegnung mit diesem Mann sollte uns in den folgenden zwei Tagen auch noch eine nachhaltige Lektion in Werten wie Wertschätzung, Dankbarkeit und Respekt einbringen. Das hier genauer auszuführen, würde zu weit führen. Aber falls du das hier liest lieber Egon, nochmals Danke. Du bist eine lebende Inspiration!
Ein weiteres Highlight unseres Aufenthalts war sicher auch das Mittagessen mit zwei Familien, wovon die Eine bereits seit mehr als 5 Jahren sehr erfolgreich diesen Lebenstraum lebt. Unter den Begriffen „Familie auf Weltreise“, „Focus on Family“ und „Kathrin Fit“ haben sie basierend auf ihrer Reise-Passion ein erfolgreiches Unternehmen gegründet und haben sich aktuell ebenfalls gerade am Gardasee niedergelassen. Zusammen mit einer weiteren Familie, „Family on Travel“, verbrachten wir ein paar schone und interessante Stunden beim Mittagessen in der Altstadt von Lazise.
Die zwei Tage am Gardasee waren leider im Nu verflogen und so gerne wir noch geblieben wären, uns zog es weiter. 200 Kilometer trennten uns noch von unserem nächsten Ziel bei Venedig, der Ortschaft Cavallino-Treporti. Eine Landzunge östlich von Venedig, welche bei Campingfreunden sicherlich ein Begriff ist. Einige der grössten und schönsten Campingpätze Italiens geben sich dort ein Stelldichein und drei davon kennen wir ebenfalls bereits von früheren Reisen. Unsere Wahl viel dabei auf den angeblich grössten Campingplatz Europas, den „Marina di Venezia“. Eine Kleinstadt mit Platz für rund 12’000 Gäste, schönem Strand, eigener Einkaufsmeile, grosse Poolanlage und allem Schnickschnack, den man sich nur ausdenken kann. Je nach dem wie es bei uns weiter geht, wird dies dann vermutlich auch der letzte Campingplatz aus der Reihe „Kennen wir“ sein. Alles östlich oder nördlich davon wird dann mehr oder weniger ein intuitiver Blindflug werden. Daraus entstand dann auch die Idee, hier gleich mal für ein paar Tage länger abzusatteln.
Die Platzwahl auf einem Camping wie dem „Marina di Venezia“ ist auch mit einem grossen Gespann wie unserem herrlich unkompliziert. Besonders in der Nebensaison, obwohl noch gut gefüllt, sieht man sich schon fast vor die Qual der Wahl gestellt. Nach ein paar Formalitäten wurden wir bereits zu unserem Stellplatz geführt, der nicht nur mehr als genug Platz bot, sondern auch unmittelbar in Strandnähe liegt. Noch viel erfreulicher war allerdings, als wir im Verlauf des Tages feststellten, dass wir einmal mehr inmitten von netten, aufgeschlossenen und herzensguten Menschen gelandet sind. Was für ein Glück! Davon teilen einige sogar unsere Vorliebe für US-Camper und sind selbst mit solchen hier gelandet. Unabhängig von Fahrzeug, Alter, Status oder Gesinnung, die Tage hier sind einmal mehr eine Inspiration auf vielen Ebenen. Die meisten unserer Nachbarn kennen sich untereinander bereits seit Jahren und haben uns vorbehaltlos als Mitglieder diese XXL-Stellplatz-Kommune aufgenommen. Strand, Sonne satt, gutes Essen und ab und zu natürlich ein kühles Blondes runden den Rest zum aktuellen Reiseglück noch komplett ab!
Wie, wann und wohin es uns als nächstes verschlägt, werden wir noch sehen. Der Wetterumschwung, der hier nächste Woche für Regen und kältere Temperaturen sorgen soll, wird uns bestimmt noch genug früh den nächsten Schritt planen lassen. Momentan geniessen wir einfach noch etwas die unbeschwerte Zeit. Die Reisesituation nach und in Griechenland ist leider noch unverändert. Eine Alternativen Richtung Norden müssten wir vorab sicher noch mit dem lieben Petrus besprechen. Kommt Zeit, kommt Rat!
Die gesamte Reise bisher gibt übrigens auch in einem knackigen Zusammenschnitt auf unserem YouTube Kanal zu sehen. Schaut mal rein!
In diesem Sinne senden wir euch beste Grüsse aus Bella Italia. Vielen Dank für euer Interesse Freunde … wir zählen natürlich weiterhin auf euch!
Hier gehts zum YouTube-Video.
Bis bald
Eure „Home on Wheels“ Reisevögel